Die meisten Männer unterschätzen die Auswirkungen von Bestrahlung, Operation oder Chemotherapie. Dabei können körperliche und psychische Folgen einer Prostatakrebs-Behandlung erheblich die Lebensqualität mindern. Die Anschlussheilbehandlung (AHB) oder eine Rehabilitation zu nutzen, um wieder auf die Beine zu kommen, ist deshalb sinnvoll und keineswegs ein Zeichen von Schwäche, weiß der Facharzt für Urologie und Allgemeinchirurgie Dr. med. Christian Tiemer.

Nach einer Zeit belastender Untersuchungen, Diagnosen und Behandlungen ist der Wunsch nach Normalität und Alltagsroutine verständlicherweise sehr groß. Außerdem möchte „Mann“ jetzt endlich wieder selbst über sich bestimmen, das Heft wieder selbst in die Hand nehmen.

Das klingt aber einfacher als es tatsächlich häufig ist, denn was da hinter einem liegt, bedeutet oft enorme Herausforderungen für den Körper und hat außerdem nicht selten Auswirkungen auf Psyche und Unterbewusstsein.

Jetzt sind Sie wieder am Zug

Eine Rehabilitation im Anschluss an die onkologische Behandlung ist deshalb sinnvoll und keineswegs ein Zeichen von Schwäche. Als Oberarzt der Urologie im AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg höre ich oft von meinen Rehabilitanden, dass es zunächst nicht so leicht für sie war, sich für eine Anschlussheilbehandlung zu entscheiden, sie aber im Rückblick schließlich doch froh über ihre Entscheidung sind.

Eine Reha unterstützt nicht nur dabei, wieder zu Kräften zu kommen, sondern lässt einen die zurückliegenden Erfahrungen leichter verarbeiten und neue Wege finden, um mit den Folgen der Erkrankung besser umzugehen. Mit Informationen und Wissen aus erster Hand, mit der richtigen Aufklärung gewinnt man Stück für Stück seine Eigenständigkeit zurück.In der Rehabilitation kann man sich dabei auf ein erfahrenes Team aus Ärzten und Therapeuten verlassen, denen nichts fremd ist.

Die Harnfunktion trainieren und kontrollieren

Ein wesentliches Ziel nach der Behandlung eines Prostatakrebses kann zum Beispiel sein, die Kontinenz zu erlangen: Tägliches Beckenbodentraining fördert Eigenwahrnehmung und Koordination ebenso wie die Ausdauer der Beckenbodenmuskulatur. Besonders effektiv macht das Training die direkte Rückmeldung der Therapeuten, die durch moderne bildgebende Verfahren genau zeigen können, was sich im Becken abspielt und wie man es durch das Training gezielt beeinflussen kann. Patienten, die ein solches Beckenbodentraining durchführen, sind im Durchschnitt vier Monate früher wieder kontinent als ohne ein solches Training.

Wieder Spaß am Sex haben

Sexuelle Probleme nach einer Behandlung der Prostata sind häufig und vielschichtig. Neben Lustlosigkeit gibt es auch biologische Gründe, denn die Erektionsfähigkeit kann nach operativen Eingriffen oder auch nach einer Bestrahlung leiden. Wichtig ist hier eine umfassende Beratung zu allen Optionen, z. B. Schwellkörpererhaltungstraining, Gebrauch von Hilfsmitteln und Erfolgschancen medikamentöser Behandlungen.

Eine Behandlung der Erektionsstörungen kann frühzeitig nach Abschluss der Therapie beginnen, denn bald – häufig schon während der Rehabilitation – kehren Bedürfnisse, Wünsche und Phantasien wieder zurück, man denkt aber auch an die Erwartungen der Partnerin/des Partners. Eine Störung wird dann als Identitätskrise erlebt, wenn der Umgang mit Emotionen und Offenheit beim Thema Sexualität schwerfällt – kein Problem für unsere urologisch erfahrenen Psychologen.

Leistungsfähiger werden

Die Phasen der Inaktivität während einer onkologischen Behandlung führen zu einem spürbaren Muskelabbau. Er schwächt nicht nur den Körper, auch leiden Wohlbefinden und Selbstwertgefühl – mit Folgen für den weiteren Entwicklungsprozess. Gezieltes körperliches Training wirkt hier Wunder. Es beugt zudem der Entstehung zusätzlicher Erkrankungen vor. Wissenschaftliche Studien konnten außerdem sehr gut belegen, dass das Wiederauftreten von Krebserkrankungen durch sportliche Aktivität verhindert werden kann. In der Rehabilitation werden dazu vielfältige auf das Leistungsvermögen abgestimmte und durch Therapeuten begleitete Trainingsmöglichkeiten angeboten.

Mit den Krankheitsfolgen leben lernen

Irreversible Krankheitsfolgen zu akzeptieren ist schwer. Wir motivieren unsere Rehabilitanden dazu, bewusst den notwendigen Wandel vom Behandelten zum aktiv Handelnden zu vollziehen. Das gelingt uns in psychologisch angeleiteten Gesprächsgruppen, psychologischen Einzelgesprächen und anderen individuell abgestimmten Therapieangeboten.

Gesünder leben lernen

Wir wissen auch: Das ist leichter gesagt, als getan. Alte Gewohnheiten wirft man nicht so leicht über Bord. Bei uns kann man deshalb mit Unterstützung lernen, sich gesünder zu ernähren, sein Gewicht zu regulieren, mit dem Rauchen aufzuhören, den Alkoholkonsum zu reduzieren oder besser mit Stress umzugehen.

Erfolgreich in den Berufsalltag zurückkommen

Wie es beruflich weitergehen kann, klärt eine medizinische Leistungseinschätzung. Sozialpädagogen beraten umfassend und können eine stundenweise Wiedereingliederung mit dem Arbeitgeber organisieren. Arbeitsplatztraining sowie Arbeitsplatz- und Hilfsmittelberatung ergänzen das Angebot.

Mehr Informationen zur Rehabilitation nach Prostatabehandlungen im AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg oder telefonisch: 04541/13-3800

 

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