Was können Angehörige tun, wenn ihr demenzkrankes Familienmitglied weiterhin Auto fahren will, aber ganz offenbar nicht mehr fahrtüchtig scheint? In vielen Familien kommt es deshalb oft zu schier unlösbaren Konflikten. Wie sieht die Rechtslage aus? Welche Möglichkeiten gibt es, wenn man es verhindern möchte? 

Bereits im frühen Stadium einer Demenz können Reaktionsvermögen und Fähigkeiten, die man beim Autofahren braucht, stark eingeschränkt sein. Das Problem aber ist, dass die Betroffenen selbst oft davon überzeugt sind, dass sie mit ihrer langjährigen Fahrpraxis und Erfahrung sicher ein Auto steuern können. Ihnen fehlt oft die Einsichtsfähigkeit.

Tatsächlich aber können sie sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer erheblich gefährden, weil ihre Reaktionen verlangsamen und ihr Denk-, Konzentrations- und Urteilsvermögen stark abnimmt. Das ist meist bereits im Frühstadium einer Demenz der Fall. Beifahrer können allenfalls bei der Orientierung unterstützen. In Verkehrssituationen, die schnelle Reaktionen oder situationsgerechtes Verhalten verlangen, können sie jedoch nicht helfend eingreifen.

In vielen Familien oder Paarbeziehungen kommt es oft zu schier unlösbaren Konflikten, wenn der Demenzkranke davon überzeugt werden muss, das Autofahren aufzugeben. Denn es hat eine starke Symbolkraft, wenn man die Autoschlüssel für immer abgeben soll: Nicht mehr selbst zu fahren, heißt auch, seine Mobilität, Unabhängigkeit und Selbstständigkeit zu verlieren. Es bedeutet, dass man sich eingestehen muss, eine lebenslang selbstverständliche Tätigkeit nicht mehr zu beherrschen. Vor allem Menschen, die beruflich viel mit dem Auto unterwegs waren oder deren Arbeitsplatz hinter dem Steuer war, büßen so einen Teil ihrer Identität ein – eine sehr schmerzvolle Erfahrung. Deshalb wird die nachlassende Fahrtüchtigkeit dann oft auch so vehement verleugnet.

Wenn Angehörige den Eindruck haben, dass

  • der Demenzbetroffene sehr angespannt wirkt, wenn er Auto fährt
  • er sich in letzter Zeit häufiger verfährt
  • es vermehrt zu Unfällen oder "Beinahe-Unfälle" gekommen ist
  • er technische Schwierigkeiten mit dem Fahrzeug hat

… dann sollten sie verantwortungsvoll handeln und dafür sorgen, dass er/sie nicht länger selbst ein Auto fährt, weil er/sie sich verkehrsgefährdend verhalten könnte. Das ist leichter gesagt als getan. Von den Angehörigen lässt man sich erfahrungsgemäß weniger sagen.

Deshalb ist es oft hilfreich, wenn dies eine Person tut, deren fachliche Qualifikation für den demenzkranken Menschen nicht in Frage steht. Gibt ein Arzt, ein Rechtsanwalt oder auch ein Polizist eine klare Empfehlung, wird diese eher angenommen als vom Nachwuchs oder von Ehepartnern.Ist das Sehvermögen des Betroffenen stark eingeschränkt? Oder hört er besonders schlecht? Dann lässt er sich möglicherweise leichter anhand dieser messbaren Defizite davon überzeugen, das Autofahren aufzugeben. Das Thema Demenz muss auf diese Weise gar nicht zur Sprache kommen.

Eine Lösung zu finden, die es dem Demenzkranken ermöglicht „das Gesicht zu wahren“ ist ohnehin ein Königsweg. Weil aber jeder Mensch in seinem Leben ebenso einzigartig ist wie in seiner Demenz, kann ich Ihnen hier nur Anregungen geben. Ihr Vorgehen kann so aussehen:

  • Auf den Betroffenen eingehen und mit ihm darüber sprechen. Das sollte man möglichst früh tun. Bei Patienten mit einer leichtgradigen Demenz, ist das Einsichtsvermögen oft noch vorhanden, wenn man feinfühlig genug vorgeht.
  • Andere Lösungen und Alternativen finden und sie gemeinsam nutzen (öffentliche Verkehrsmittel, Taxi, Freunde, Familie, Fahrdienste).
  • Das Autofahren schließlich verhindern, indem man die Schlüssel versteckt oder das Auto weiter weg parkt und eine Notlüge nutzt („es ist in der Werkstatt“).

Dazu zwei Fallbeispiele:

Eine von Alzheimer betroffene alte Dame (86) war bei Freunden eingeladen und wollte nur in Unterwäsche bekleidet ins Auto steigen und dorthin fahren. Sie hatte die Empfehlung ihrer Ärztin, das Autofahren aufzugeben, bis zu diesem Zeitpunkt einfach ignoriert. So blieb dem Enkel, der auch ihr gesetzlicher Betreuer war, nichts anderes übrig, als die Autoschlüssel zu verstecken. Gleichzeitig aber bat er ihre Freunde, auch ihm die Einladungen zu übermitteln, damit er die Fahrten organisieren konnte. Und für die Wocheneinkäufe im Supermarkt holte von nun an ein freundlicher Herr vom Fahrdienst der Wohlfahrt seine Großmutter zu festgelegten Zeiten ab.

Der zweite Fall: Ein ehemaliger Fahrlehrer war trotz seiner Diagnose Demenz unermüdlich darum bemüht, seine Fahrtauglichkeit zu beweisen. Er absolvierte mehrmals eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU). Dieses Gutachten dient der Verkehrsbehörde als Entscheidungshilfe für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis und kann wiederholt werden. Abhängig von der Faktenlage kostet die MPU zwischen 340 und 740 Euro. Das Ergebnis war auch nach mehrmaliger Wiederholung stets negativ, was den Betroffenen dazu veranlasste, noch teurere Gutachten von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen einzuholen, die aber ebenfalls stets nur seine Fahruntüchtigkeit belegten.

Bis die Familie des Mannes davon erfuhr, hatte er bereits mehrere tausend Euro für Tests und Gutachten ausgegeben. Es wurde umgehend ein gesetzlicher Betreuer eingesetzt, ausgestattet mit einem „Einwilligungsvorbehalt“. Das bedeutet, dass künftig Verträge, Käufe und bereits erfolgte Zahlungen vom Betreuer wieder rückgängig gemacht werden können.

Weitere Informationen gibt die Deutsche Alzheimergesellschaft e.V. in einer empfehlenswerten Broschüre 

Die Rehabilitationsklinik für pflegende Angehörige im AMEOS Reha Klinikum Ratzeburg bietet ihren Rehabilitanden u.a. auch Schulungen im Umgang mit Demenzbetroffenen. Informationen über das Rehabilitationsangebot oder telefonisch unter 04541 13 38 00.