Die Klinik für Familienpsychosomatik am AMEOS Klinikum Inntal in Simbach am Inn ist eine der wenigen akutpsychosomatischen Einrichtungen in Deutschland, in denen Kinder und ihre Sorgeberechtigten gleichermaßen stationär behandelt werden. Die Klinik bietet 30 Behandlungsplätze und wird von Chefarzt Dr. med. Moritz Kuscha geleitet.

Im Zentrum der Behandlung steht die Interaktion zwischen dem Kind und seinen engsten Bezugspersonen und Sorgeberechtigten, wobei die Krankheitsbilder beider berücksichtigt werden.

Dr. Moritz Kuscha, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, betont die Weite des Familienbegriffs: „Wir behandeln psychisch erkrankte Alleinerziehende mit ihren erkrankten Kindern ebenso wie mehrköpfige Familien. Unser Verständnis von Familie schließt alle wichtigen Bezugspersonen der psychisch erkrankten Kinder ein, wie z.B. Eltern-Kinder-Geschwister oder Großeltern-Enkel.“

Kinder können zwischen vier und 18 Jahren als Patienten aufgenommen werden. Bei der Behandlung werden das Alter und die individuellen Bedürfnisse der Patientenkinder und ihrer Bezugspersonen berücksichtigt. Eine Aufnahme von Begleitkindern ist nach Absprache möglich.

Während der Corona-Pandemie steht auch die Familienpsychosomatik vor besonderen Herausforderungen. Dr. Kuscha berichtet aus seiner täglichen Praxis.

 

Welche Auswirkungen der Corona-Pandemie auf psychisch belastete Familien, die bei Ihnen in der Klinik behandelt werden, fallen vor allem ins Auge?

Durch die Isolation während der Corona-Pandemie verstärken sich die Probleme und psychischen Belastungen innerhalb der Familie. Das beobachten wir auch bei gesunden Familiensystemen: Das Risiko, psychisch zu erkranken, ist auch hier erhöht. In beiden Fällen führen wir es u.a. auf die vielen angstfördernden Faktoren zurück, die momentan vorherrschen, z. B. die Unberechenbarkeit der Entwicklungen.

 

Hat sich die Nachfrage  nach Behandlung im Zuge der Pandemie verstärkt?

In unserer Klinik arbeiten wir generell mit einer Warteliste, da der Bedarf auf diesem Gebiet sehr hoch ist. Deutlich zugenommen haben die Bitten um vorzeitige bzw. notfallmäßige Aufnahmen. Daran erkennen wir, dass sich während der Pandemie die Krankheitsbilder in den Familien krisenhaft zugespitzt haben. Jugendämter, niedergelassene Therapeut*innen oder auch die betroffenen Familien selbst kontaktieren uns täglich wegen eines dringenden Falles.

 

Welche Auffälligkeiten, Symptome und Störungen haben besonders zugenommen?

Gehäuft beobachten wir Angsterkrankungen, Depressionen, Störungen der familiären Interaktion und Kommunikation, Sozialverhaltensauffälligkeiten und Somatisierungsstörungen.

Verstärkt werden diese durch das vermehrte Auftreten zusätzlicher äußerer Belastungsfaktoren: Unterstützende Strukturen wie Kindertagesstätten und Schulen fallen weg, Therapeuten sind häufig nur online erreichbar. Die Familie ist viel mehr auf sich gestellt, wird nicht mehr durch Freunde oder Angehörige entlastet. Hinzu kommen finanzielle Sorgen, Zunahme von familiären Konflikten durch die räumliche Begrenzung und Perspektivlosigkeit.