Kürzlich war es wieder soweit. Die traditionelle Fortbildungsreihe des Halberstädter Frau-Mutter-Kind-Zentrums „Aktuelle Neonatologie und Kinder- und Jugendmedizin“ wurde mit dem Thema „Frühgeburtlichkeit und psychische Gesundheit“ fortgeführt.
Vor dem gut gefüllten Auditorium begrüßte Chefarzt Dr. med. Cornelius Presch den Gastredner Prof. Dr. med. Kai von Klitzing, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters vom Universitätsklinikum Leipzig.
Im Verlaufe des Abends war unter anderem zu erfahren, dass schon während der vorgeburtlichen Zeit ein intensiver Austausch zwischen Mutter und Kind stattfindet. So können Belastungen in dieser Zeit unmittelbaren Einfluss auf die in der Gebärmutter stattfindende Regulationsfähigkeit und damit auch die Befindlichkeit des Ungeborenen haben und somit die Bindung zwischen Mutter und Kind nachhaltig belasten. „Zu nennen wären psychosoziale Belastungen oder auch frühere traumatische Erlebnisse aus der eigenen Kindheit. Auch andere Faktoren, wie Schwierigkeiten beim Schwangerwerden, vorgeburtliche Diagnostik oder Sucht und Depression, haben nicht selten großen Einfluss auf die Schwangerschaft“, erklärte Prof. Dr. med. Kai von Klitzing. Ebenso können Störungen der Bindungen unmittelbar bei Beendigung der Schwangerschaft auftreten. So können durchaus Kaiserschnitt und andere intensive Erlebnisse, wie Trennung von Mutter und Kind (z. B. bei einer Frühgeburt…), gravierende psychische Beschwerden bei den jungen Eltern hervorrufen.
In jedem Fall kann der Übergang von Bindungsbedürfnis zu Bindungsstörung fließend sein. „Hier gilt es Strategien zu entwickeln, die von Anfang an gegen das Problem der Bindungsstörung mit psychischer Fehlentwicklung steuern. So kann z. B. ein Mindestmaß an sozialer Unterstützung und Beratung schon am Anfang sehr hilfreich sein“, zeigte der Referent seinen Zuhöreren auf. Die Eltern erlernen dann Bewältigungsstrategien und können bei entsprechender Führung besser mit dem Problem, beispielsweise der sehr kleinen Frühgeburt und der Trennung von Mutter und Kind beziehungsweise Vater und Kind, umgehen. Eine primäre psychische Prävention wirkt sich dann positiv auf die umfassende gesundheitliche Entwicklung von Eltern und Kind aus. Dabei ist die Entwicklung eines sicheren Bindungsverhaltens stets das Ziel. So können während der Schwangerschaft Eltern für emotionale Bedürfnisse ihres Kindes sensibilisiert werden. Dies wirkt sich dann auf die weitere Bindung positiv aus. Bei mangelnder Bindungsentwicklung ist die Gefahr von Fehlentwicklungen mit verschiedensten Mustern sehr groß. „Gerade unverarbeitete traumatische Erfahrungen der Eltern können dazu führen, dass Kinder zum Beispiel zu Mitakteuren bereits vergangener, jetzt wieder neu aufgelegter Erlebnisse werden“, so Prof. Dr. med. Kai von Klitzing. Ziel ist es, über psychische Prävention die Verhaltensweisen der Eltern so zu fördern, dass es zur Entwicklung von Bindungsstörungen gar nicht erst kommen kann.
Frühgeburt und psychische Gesundheit stellen immer wieder für Geburtshelfer, Kinderärzte, Hebammen und Pflegekräfte eine Herausforderung dar. Immerhin kommen 50 000 Neugeborene in Deutschland zu früh zur Welt und ein Großteil werden oft Tage und Wochen im Bereich der Kinderklinik und Kinderintensivstation betreut. Dies ist eine Zeit, die sehr anstrengend, nicht nur für die Kinder, sondern auch besonders für die Eltern, ist. „Solche Veranstaltungen sollen uns alle befähigen, Ratgeber und Helfer für betroffene Familien, die große Angst und Sorge um ihr Baby haben, zu sein“. Chefarzt Dr. Cornelius Presch dankte abschließend dem Referenten und seinen interessierten Zuhörern.