Sie sind seit anderthalb Jahren Transplantationsbeauftragte. Mussten Sie dafür eine spezielle Ausbildung absolvieren?

Es gibt dafür eine Weiterbildung, die sowohl praktisch als auch theoretisch ist. Den theorietischen Teil habe coronabedingt an einem Tag online absolviert, inklusive Prüfung. Die Weiterbildung wird von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) angeboten.

Was sind Ihre Aufgaben als Transplantationsbeauftragte?

Wenn es Patientinnen oder Patienten auf der Intensivstation gibt, die einem irreversiblen Hirnfunktionsausfall entgegen gehen, den Kontakt mit der DSO, aufzunehmen und mit ihnen das weitere Vorgehen zu besprechen. Auch mit den Angehörigen zu sprechen, um zu erfragen, ob eine Organspende in Frage kommt bzw., ob der Patient dazu eine Aussage getroffen hat, gehört zu meinen Aufgaben. Falls sich für eine Spende entschieden wurde, kommen die soegannten DSO-Koordinatoren ins Haus und veranlassen weitere Schritte bis hin zur Entnahme der Organe. Auf der Intensivstation arbeiten Pflege und ärztliches Personal eng zusammen. 

Dann versuche ich etwas Öffentlichkeitsarbeit machen: Ich plane in Schulen zu gehen und Aufklärungsarbeit zum Thema Organspende zu leisten. Es gibt zum Beispiel Anfragen von Ethiklehrern, um die Menschen für das Thema zu sensibilisieren, sie wachzurütteln und dazu zu bringen, sich Gedanken zu machen. Zudem verteile ich regelmäßig Infomaterialien und Organspendeausweise. Ich bin sehr zufrieden, dass die Organspendeausweise immer wieder mitgenommen werden und ich nachlegen muss.

Zu meinen Aufgaben gehört es ebenfalls das Personal nachzubetreuen. Es ist sehr intensiv, was die Kolleginnen und Kollegen auf der Intensivstation, aber auch vom OP erleben, wenn eine Organentnahme stattfindet - gerade, wenn Spender noch sehr jung sind. In Gesprächen versuchen wir dann damit umzugehen. Ich gebe auch Weiterbildungen für das OP- und Anästhesiepflegepersonal über den Ablauf einer Organspende, um sie auf solche Fälle gut vorzubereiten. In meiner Zeit als Transplantationsbeauftragte hatten wir fünf Kontakte und zwei Spenden.

Was heißt fünf Kontakte?

Fünf Patienten, die zur Organspende gemeldet worden sind, die aber aus verschiedenen Gründen nicht für eine  Organexplantation in Frage kamen. Weihnachten 2021 habe ich meine erste Spende mitgemacht. Die zweite Spende war im Juni 2022.

Warum ist das Gespräch mit dem Personal und den Angehörigen so wichtig?

Es gibt viele Materialien, die die DSO zur Verfügung stellt, für den Ablauf der Organentnahme, die wir in den Gesprächen verwenden können. Sich zu verabschieden ist für die Angehörigen sehr schwer, denn bevor es zu einer Organexplantation geht, sieht es so aus, als lebte der Mensch noch - das ist allerdings nicht so! Die Organe müssen perfundiert (gut durchblutet sein) werden, um sie gut erhalten zu können. Aus diesem Grund sind Gespräche im Team und mit den Familien so wichtig - alles funktioniert nur mit Empathie und Hand in Hand.

Was ist der erste Schritt bei einem irreversible Hirnfunktionsausfall?

Der Kontakt mit der DSO wird zeitig aufgenommen: wir teilen mit, dass der Hirntod sehr wahrscheinlich ist bzw. demnächst eintreten wird. Dann fragt die DSO zunächst die Daten ab. Wenn wir die Diagnostik abgeschlossen haben, sagen wir wiederum der DSO Bescheid und wir bekommen Informationen darüber, welche Untersuchungen noch anhand unserer Diagnosen durchgeführt werden müssen. Zum Beispiel, ob noch ein CT vom Thorax, Abdomen oder noch Herzkatheteruntersuchungen und Bronchioskopie benötigt werden. Die DSO hat auf ihrer Webseite auch die Befundbögen hinterlegt, damit die Kollegen diese dezidiert ausfüllen. Sonst könnte es passieren, dass Organe nicht entnommen werden können, was frustrierend ist, da der Empfänger ja auch vorbereitet wird.

Die Labordiagnostik dient dazu zu testen, ob das jeweilige Organ auch kompatibel für den Empfänger ist. Die empfangenden Patientinnen und Patienten werden auch immunsupressiert, damit es nicht zu Abstoßungsreaktionen kommt. 

Wie geht es weiter, wenn diese Untersuchungen abgeschlossen sind?

Der DSO-Koordinator kommt zu uns ins Klinikum und organisiert nach den Untersuchungsbefunden, welche Organe entnommen werden können und fragt dann die Implantationskliniken an. Diese geben eine Rückmeldung, welche Organe benötigt werden.

Es werden Transplantationsteams aus den unterschiedlichsten Kliniken hergefahren. Für die beiden Entnahmen, die ich mitgemacht habe, kamen Kolleginnen und Kollegen aus Kliniken in Halle und Magdeburg. Zudem organisieren die Koordinatoren den gesamten Transport, ob per Krankenwagen oder sogar Flugzeug - teilweise bis ins Ausland.

Wie lange ist das Organ funktionsfähig nach der Entnahme?

Die Nährlösung hält die Organe bestmöglich lange aufrecht. Hinzukommt die Kühlung. Aber jedes Organ ist unterschiedlich lange funktionsfähig, im Schnitt ca. zwei Stunden.

Warum raten Sie jedem einen ausgefüllten Organspendeausweis bei sich zu tragen?

Weil es den Angehörigen den letzten Schritt enorm erleichtert. Der Moment, in dem man seinen lieben Angehörigen verliert, ist es schon schwierig überhaupt mit der Situation fertig zu werden. Wenn man sich nie darüber unterhalten hat und auch nichts findet, wo dieser Wille oder eben auch die Ablehnung formuliert ist, dann steht man immer zwischen zwei Stühlen und man macht sich Gedanken, was das Familienmitglied gewollt hätte... Für uns Ärztinnen und Ärzte laufen dann die Gespräche mit den Angehörigen auch einfacher, weil sie sich auch leichter damit abfinden können. Deshalb sollte jeder einfach mal darüber nachgedacht haben. Das Leben ist endlich, es kann jede Sekunde vorbei sein. Das sollte auch bei jungen Leuten im Kopf präsent sein.

Gibt es Personen, die nicht spenden dürfen?

Ja, es gibt Ausschlusskriterien. Zum Beispiel chronisch Kranke, allerdings sind die inzwischen eng gefasst. Man kann selbst mit einer Infektion spenden, wenn die Antibiose nach Erreger gleich begonnen wurde und weitergeführt wird, weil es inzwischen auch so wenig Organe gibt. Allerdings immer noch nach speziellen Regeln. Menschen, die mit dem HI-Virus infiziert sind, werden ausgeschlossen. 

Warum sind sie Transplantationsbeauftragte geworden?

Ich habe während des Studiums als OP-Assistentin gearbeitet. Da gab es eine Kollegin der Anästhesie, die ihren Mann verloren hatte. Er war beim Fußballspielen umgefallen. Sie hat ihn für die Organspende freigegeben, weil das in seinem Sinne gewesen wäre. Das war meine erste Berührung mit Organspende und ich fand die Entscheidung einfach klasse. Sie hat darin dann einen Sinn sehen können, weil sie wusste er kann in einem anderen Menschen weiterleben. Die DSO organisiert auch Treffen und Veranstaltungen für Betroffene - ein Kennenlernen zwischen den Angehörigen und der Empfängerperson ist in Deutschland allerdings nicht möglich. Anonyme Briefe können dennoch über die DSO ausgetauscht werden.

Ein Abschlussgedanke von Ihnen:

Die Arbeit ist sehr intensiv. Dem Pflegepersonal muss man Respekt zollen. Ich bin ziemlich stolz auf unsere Mitarbeitenden, die diese nicht leichte Angelegenheit bewältigen.

Das Interview führte Katja Stützer, Kommunikation & Kooperation