Ein Trauma verändert das Leben. Viele Betroffene kämpfen mit Symptomen, die sie selbst kaum verstehen – und die im Außen selten richtig gesehen werden. Die gute Nachricht ist: PTBS ist behandelbar. Zwei erfahrene Expertinnen aus dem AMEOS Privatklinikum Bad Aussee - Mag. Sophie Heidler, Leitende Psychologin und Fabienne Urschinger MSc., Klinische Psychologin - geben Einblick in die Welt der Traumatherapie und erklären, welche Rolle darin EMDR, Psychodrama, Psychoedukation etc. spielen und warum Wissen der erste Schritt in Richtung Heilung ist.
Was genau ist eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), und wie entsteht sie?
Fabienne Urschinger:
PTBS ist eine psychische Erkrankung, die nach extremen Belastungen oder lebensbedrohlichen Ereignissen entstehen kann. Entscheidend ist dabei weniger das Ereignis selbst, viel mehr die individuelle Reaktion darauf: wird das Nervensystem überfordert, kommt es zu Traumafolgesymptomen – eigentlich zu klugen Überlebensstrategien, die im „Heute“ aber Probleme bereiten. Das Gehirn kann das sichere Hier und Jetzt nicht vom gefährlichen Dort und Damals unterscheiden, was zu fehlender emotionaler und zeitlicher Einbettung der Erinnerung führt.
Sophie Heidler:
Diese fehlende Integration zeigt sich in Flashbacks, Albträumen und körperlicher Übererregung. Ganz wichtig ist zu verstehen: Betroffene sind nicht „verrückt“, sondern reagieren normal auf extrem anormale Situationen. PTBS ist eine nachvollziehbare, behandelbare Reaktion, kein persönliches Versagen.
Welche Symptome sind typisch für PTBS, und wie äußern sie sich im Alltag?
Sophie Heidler:
Typisch sind die erwähnten intrusiven Erinnerungen (Flashbacks, Albträume) sowie emotionale Taubheit, Reizbarkeit und ständige innere Alarmbereitschaft. Im Alltag funktionieren viele Betroffene äußerlich gut, kämpfen aber innerlich mit einem ständigen Bedrohungsgefühl. Beziehungen leiden, die Arbeit wird zur Belastung, das Vertrauen in sich und andere ist erschüttert. PTBS ist real und sehr belastend, auch wenn man es nicht sieht.
Fabienne Urschinger:
Besonders tückisch ist ein weiteres Kernsymptom, nämlich die Posttraumatische Vermeidung, die Betroffene oft jahrelang daran hindert, die Anzeichen einer PTBS zu erkennen und Hilfe zu suchen. Es ist auch dasjenige Symptom, das sowohl von Betroffenen als auch von Fachleuten in Therapie und Beratung vermutlich am meisten übersehen und unterschätzt wird, weil es am wenigsten sichtbar ist: Betroffene organisieren sich ihr Leben um die „Trigger“ herum und können dadurch auf den ersten Blick vordergründig „gesund und normal“ wirken.
Zeitgleich beobachten wir auf der anderen Seite manchmal eine „Verwässerung“ des Trauma-Begriffs. Wörter wie "Trauma" oder "Trigger" sind längst in unserer Alltagssprache angekommen und werden gern umgangssprachlich und leichtfertig verwendet. Dadurch kann es auch zu falsch-positiven (Selbst-)Diagnosen kommen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es im AMEOS Privatklinikum Bad Aussee?
Sophie Heidler:
Wir arbeiten interdisziplinär und ganzheitlich mit Einzel- und Gruppentherapie, darunter mit der Methode des Psychodramas und mit EMDR. Ergänzt wird die Therapie durch Achtsamkeit, Yoga, Körper- und Ausdruckstherapie, Musik- und Kunsttherapie, Ergotherapie, Natur-Erlebnis-Pädagogik, Sozialarbeit, Physiotherapie und Entspannungsverfahren wie progressive Muskelrelaxation. Diese fördern die Selbstwirksamkeit und das Gefühl, wieder zunehmend handlungsfähig zu sein.
Fabienne Urschinger:
Eine zentrale Bedeutung kommt auch unserer psychoedukativen Trauma-Infogruppe zu, in der Betroffene verstehen, warum sie bestimmte Reaktionen zeigen. Dieses Wissen entlastet und ist ein erster Schritt zur Selbstermächtigung. Wir erklären verständlich, was im Körper und Gehirn bei einem Trauma und danach passiert. Wenn Betroffene erkennen, dass ihre Reaktionen instinktiv und überlebenswichtig waren, können sie mit sich selbst mitfühlender umgehen. Viele schämen sich, weil sie glauben, sie hätten „damals“ anders handeln müssen. Tatsächlich hat aber der Körper sein Bestes gegeben.
Wie ist die Heilungschance bei PTBS und wie sieht der Behandlungsverlauf aus?
Sophie Heidler:
PTBS ist gut behandelbar, wenn sie erkannt und richtig therapiert wird. Die Behandlung folgt meist einem Drei-Phasen-Modell: Stabilisierung, Traumakonfrontation und Integration. Stabilisierung schafft Sicherheit, dann werden traumatische Inhalte bearbeitet, z.B. mit EMDR oder imaginationsgestützten Verfahren. Am Ende steht die Integration, bei der das Trauma Teil der Biografie wird, ohne das Leben zu beherrschen.
Fabienne Urschinger:
Viele Patienten werden durch die Therapie nicht nur symptomfrei, sondern gestärkt. Der Weg ist nicht immer leicht, aber möglich und: meiner Meinung nach ist er es wert, gegangen zu werden. Dabei muss ihn niemand allein gehen. Professionelle Begleitung ist entscheidend.
Was möchten Sie den Leserinnen und Lesern neben diesen Informationen sonst noch mitgeben?
Fabienne Urschinger:
Ich wünsche mir ein anderes Verständnis für Traumafolgesymptome: Sie sind kein Zeichen von Schwäche, sondern von Überlebensintelligenz. Es gibt Hilfe und Hoffnung.
Sophie Heidler:
Scham gehört nicht zu den Betroffenen, sondern zu den Umständen, die das Trauma ausgelöst haben. Unser Ziel ist, Menschen in ihrer Selbstwirksamkeit zu stärken. Jeder verdient es, sich sicher, handlungsfähig und lebendig zu fühlen.
Veranstaltungshinweis: Die unsichtbare Wunde - Leben nach dem Trauma
In einer offenen Abendveranstaltung geben Prof. Hans-Peter Kapfhammer von der Medizinischen Universität Graz sowie Mag. Sophie Heidler, Leitende Psychologin und Fabienne Urschinger MSc., Klinische Psychologin vom AMEOS Privatklinikum Bad Aussee wertvolle Einblicke in Ursachen, Symptome und wirksame Therapieansätze bei PTBS.
Das Event ist eine Kooperation zwischen dem AMEOS Privatklinikum Bad Aussee und dem Münchner Merkur/tz und spricht Betroffene, Angehörige, Behandler und Behandlerinnen und am Thema PTBS Interessierte an.
Zeit: Mittwoch, 21. Mai, 18 Uhr
Ort: " Alte Rotation" im Pressehaus des Münchner Merkur/tz, Bayerstr. 57, 80335 München
Die Veranstaltung ist kostenlos. Anmeldung erbeten unter +49 89 530 6222