Statistisch gesehen passiert es weltweit alle 40 Sekunden: Ein Mensch setzt seinem Leben selbst ein Ende. In Deutschland führt Suizid mit rund 10.000 Fällen pro Jahr häufiger zum Tod als Verkehrsunfälle. Bei 15- bis 25jährigen Jugendlichen ist es die zweithäufigste Todesursache - durchschnittlich sterben pro Jahr 200 Menschen dieser Altersgruppe durch Suizid. Und auf jeden Suizid kommen etwa 25 Suizidversuche. Das sind statistische Zahlen und Befunde, erschreckend zwar, aber zunächst nur Zahlen. Was ist, wenn sich aus dieser anonymen Statistik plötzlich der Einzelfall herauslöst, zum realen Verlust eines geliebten Menschen wird – in der Partnerschaft, der Verwandtschaft oder im Freundeskreis? Tiefe Trauer, Betroffenheit, Schuldgefühle sind meist die Folgen, mit denen das Umfeld des durch Suizid verstorbenen Menschen mitunter sehr lange zu kämpfen hat. Die WHO schätzt, dass ein Suizid im Schnitt etwa 6 weitere Menschen in irgendeiner Weise betrifft.

Prof. Dr. Jörn Conell ist Ärztlicher Direktor des AMEOS Klinikums in Neustadt in Holstein und widmet sich seit vielen Jahren dem Thema Suizidprävention. Er verweist zunächst auf die größte Schwierigkeit, mit dem Thema umzugehen: da Suizid immer das Ergebnis von sehr individuellem und komplexem Zusammenspiel verschiedenster Umstände und Risikofaktoren ist. Das bedeutet aber keineswegs, das Mediziner, Öffentlichkeit, Angehörige und Betroffene hilflos wären; im Gegenteil: „Jeder kann etwas zur Suizidprävention beitragen“, ist Prof. Conell überzeugt.

Zunächst rät er, einige Mythen aus der Welt zu schaffen: So etwa, dass jemand, der über Suizid redet, nur Aufmerksamkeit will und es doch nicht tut. Oder dass Suizid immer nur die Folge von schweren psychischen Störungen ist. Ein weiterer Irrglaube ist, dass man einen zum Suizid entschlossenen Menschen nicht aufhalten kann. „Eine gute Vernetzung aller, die mit diesem Thema in irgendeiner Weise zu tun haben, ist ein wichtiger Teil unserer Strategie“, erklärt Prof. Conell. Ziele sind Aufklärung und Aufmerksamkeit: Welche Risikofaktoren gibt es? Welche – möglicherweise verschlüsselten – Signale sendet eine gefährdete Person aus? Darf ich einen Menschen darauf ansprechen, oder laufe ich (wie viele häufig zu Unrecht befürchten) vielleicht Gefahr, ihn gerade dadurch zum Suizid zu animieren? Wo finde ich Ansprechpartner für Hilfsangebote? Jede Weitergabe von Information und Wissen kann lebensrettend sein.

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Hilfsangeboten – wie nützlich sie sind, zeigt wiederum die Statistik: Noch 1980 zählte man in Deutschland über 18.000 Suizidtote, in den letzten Jahren sank die Zahl erstmals unter 10.000. Grund genug, die Anstrengungen in alle Richtungen zu verstärken. Das gilt auch für medikamentöse Therapie: Als sehr erfolgversprechend für Patienten mit bipolaren Störungen (manisch-depressive Erkrankungen), einer Gruppe mit besonders hohem Risiko, sieht Prof. Conell die Behandlung mit Lithium. Aktuelle Studien weisen auf einen Rückgang von Suiziden und Suizidversuchen bei mit Lithium behandelten Patienten hin.

Am 10. September ist Welttag der Suizidprävention (www.welttag-suizidpraevention.de), an dem es eine Vielzahl von Aktivitäten gibt, denen sich jeder anschließen kann. Die Aktion „Zünde eine Kerze an“ lädt ein, um 20 Uhr eine Kerze ins Fenster zu stellen. Sei es, um einen durch Suizid verlorenen geliebten Menschen zu gedenken, für die Hinterbliebenen oder sei es als Symbol  der Unterstützung der Suizidprävention.

Sollten Sie selbst von Selbsttötungsgedanken betroffen sein, suchen Sie sich bitte umgehend Hilfe. Bei der Telefonseelsorge finden Sie rund um die Uhr Ansprechpartner, auch anonym. Telefonnummern der Telefonseelsorge: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222 www.telefonseelsorge.de